Mein Großvater ist hier in Piltsch geboren.

Mit meiner Großmutter hatte er in Katscher ein Obstgeschäft.

Die beiden haben fünf Kinder bekommen: 

Mein Vater ist der Älteste.

Nach dem Krieg mußte die Familie ihr Geschäft und das Haus verlassen.

Die Flucht führte sie an den Bodensee.

Dort hatten sie eine Gastwirtschaft: „Zum Frieden“.

Meine Mutter kommt von einem Bauernhof am Bodensee.

Im „Frieden“ hat sie als Kellnerin gearbeitet und meinen Vater kennengelernt.

Ich selbst bin 1971 geboren und genauso alt wie eure Lehrerin Frau Szatko.

Im „Frieden“ gab es immer gutes Essen, Spätzle zum Beispiel. 

Oder Schlesischen Kartoffelsalat.

Und es gab eine große Truhe mit Eis…

Ich möchte euch eine Geschichte erzählen, als ich so alt war wie ihr:

Am Bodensee, in Friedrichshafen, gibt es ein großes Fest: das „Seehasenfest“.

Man muß wissen, der Seehas wohnt im See. 

Der See ist groß und sehr tief.

Und jedes Jahr im Sommer taucht der Seehas auf und wird von einem Schiff hereingeholt in die Stadt.

Er hat ein schwarzweißes Fell, lange Ohren und läuft auf zwei Beinen.

Das erste, was er an Land macht: er trifft die Kinder, die auf dem Marktplatz auf ihn warten.

Jedes Kind der ersten Klasse bekommt von ihm dann den „Hasenklee“.

Das ist ein Stoffbeutel mit Geschenken drin.

Das Fest, das wir heute feiern, heißt „Grundsteinfest“.

Ich bin Künstler und habe das erfunden.

Ihr habt mir sehr geholfen, die Zeitkapsel zu befüllen.

Als Dank dafür habe ich Hasenklee mitgebracht.

Für jeden und jede einen Beutel.

Da ist ein roter Punkt drauf mit Buchstaben und Zahlen.

Egal wo auf Welt: wer diese Buchstaben und Zahlen liest, der findet auf der Landkarte Pilszcz.

Und noch genauer: er findet in Pilszcz den Laimes, also den alten Getreidespeicher.

Wir verschließen zuerst die Kapsel und dann die Kapsel im Stein.

Wer den Grundstein wohl mal öffnen wird? 

Das wissen wir nicht.

Aber hoffentlich dauert das noch sehr sehr lange.

So lange wie die Ohren des Seehasen lang sind?

Ja, mindestens!

Und so lange, wie es her ist, daß der Großvater meines Großvaters hier im Haferviertel mit seinem Hammer auf Metall geschlagen hat: 

kuć, kuć, kuć,…

 

(Text zur 15. Grundsteinlegung am Laimes in Pilszcz, 6. September 2024)

 

Photos: Anna Szatko